Gefährdungsbeurteilung
Was ist das?
Eine Gefährdungbeurteilung ist, wie der Begriff schon sagt: die Beurteilung von Gefahren/Gefährdungen.
Dabei soll alles beachtet und beurteilt werden, was einen Mitarbeiter* am Arbeitsplatz, bei oder durch seine Tätigkeiten in irgendeiner Weise schädigen oder verletzen kann.
Es findet demnach eine Analyse aller möglichen Gefahrensituationen statt. Eine Gefährdungsbeurteilung bildet demnach die Grundlage für alle Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz; daher werden anhand dieser Arbeitsschutzmaßnahmen festgelegt, dokumentiert und auf Ihre Wirksamkeit geprüft.
Wer braucht sowas? Muss ich sowas auch haben?
Sind Sie Arbeitgeber? Dann ja! Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist für jeden Arbeitgeber ab einem Beschäftigten* Pflicht (egal ob Teil-, Vollzeit, Saisonkraft,....). Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
Eine Gefährdungsbeurteilung muss erfolgt sein, bevor überhaupt mit der Arbeit begonnen werden kann (häufig leider nicht der Fall).
Abgesehen von der gesetzlichen Grundlage sollten Sie folgende Vorteile einer ordentlich systematisch durchgeführten Gefährdungsbeurteilung beachten:
- Arbeitsunfälle werden vermieden
- weniger Ausfallstunden der Mitarbeiter wegen Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, Rehas uvm.
- sichere Arbeitsplätze bedeuten zufriedenere und leistungsstärkere Mitarbeiter
- Arbeitgeber, die verantwortungsvoll und sicher Arbeiten und mit Ihren Angestellten umgehen, haben eine bessere Reputation, im Besten Fall Wettbewerbsvorteile, da heute viele Auftraggeber die Vorlage der Gefährdungsbeurteilung bei der Vergabe von Aufträgen verlangen
Insgesamt lässt sich festhalten, eine Gefährdungsbeurteilung mag vielleicht anfangs abstrakt und nicht notwendig erscheinen, ABER sie ist gesetzlich Pflicht. Vielmehr sollte sie als Chance gesehen werden, die Arbeitsabläufe und -gestaltung zu optimieren und sicherer zu machen.
Wichtig bei all diesen Punkte ist, dass die Gefährdungsbeurteilung vom Arbeitgeber selbst oder von einer zuverlässigen und fachkundigen Person (die gesondert damit beauftragt wird - Pflichtenübertragung) durchgeführt wird. Die rechtliche Verantwortung bleibt aber in jedem Fall beim Arbeitgeber; er ist verpflichtet die Durchführung zu kontrollieren. Die Gefährdungsbeurteilung ist also Chefsache!
Tipps und Tricks zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
Jetzt weiß ich was es sein soll, warum ich es machen muss; aber wie mache ich diese nun? Oft weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen stellt sich hier häufig ein Zeit- und Personalproblem. Aber keine Sorge: eine Gefährdungsbeurteilung ist kein Hexenwerk.
Sie können sich mittlerweile zig Vorlagen, Checklisten, Handlungshilfen etc. kostenlos im Netz herunterladen; aber auch Ihre zuständige Berufsgenossenschaft, die IHK, oder auch Verbände (sofern Mitglied) und viele weitere Stellen stehen Ihnen hierbei mit Rat und Tat, und das kostenlos, zur Seite.
Jedoch sind viele Arbeitgeber, die sich mit so einem Thema noch nie beschäftigt haben, regelrecht überfordert mit der Fülle an Informationen und Vorlagen und wissen nicht wo Sie anfangen sollen. Vielleicht haben Sie auch das Problem, dass diese allgemeingültigen Checklisten und Vorlagen irgendwie gar nicht zu Ihren Tätigkeiten zu passen scheinen?! Hier heißt es durchatmen und sich bewusst machen, was mit einer Gefährdungbeurteilung erreicht werden soll. Es soll jede Gefahr bzw. Gefahrenquelle für die Mitarbeiter aufgedeckt, abgestellt, beseitigt, reduziert werden und dies soll regelmäßig überprüft werden. So weit so gut, hier ein paar Tipps, wie man das Thema Gefährdungbeurteilung auch angehen kann:
1. gehen Sie erstmal Themen an die alle Bereiche und Tätigkeitsfelder betreffen:
hier sind bspw. zu nennen(keine Garantie für Vollständigkeit):
- rechtliche Bestimmungen:
- das Arbeitsschutgesetz verpflichtet uns zur Gefährdungsbeurteilung, aber im Arbeitsalltag sind zum Schutze der Angestellten viele Gesetze wichtig, die uns gleichzeitig sagen, was wann zu tun ist:
- z.B. Mutterschutzgesetz, Jugendschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz, u.v.m.
- all diese Gesetze sagen uns ganz klar, wann was einzuhalten ist, somit werden Gefahren abgewendet
- legen Sie die Gesetze offen aus/oder stellen Sie diese online frei zugänglich zur Verfügung --> Informationspflicht gegenüber Angestellten
- nehmen Sie die Gesetze als erste Grundlagen für Ihre Gefährdungbeurteilung, z.B. was sind die maximal zulässigen Arbeitsstunden pro Tag? was ist wenn länger gearbeitet wird?....
- neben den verschiedenen Gesetzen, die für einen Arbeitgeber, sowieso verpflichtend sind, gibt es auch zahlreiche Vorschriften im Bereich der Unfallverhütung (UVV / DGUV)--> hier erhalten Sie die besten Infos von Ihrer Berufsgenossenschaft
- sind Sie an Tarifverträge gebunden? Auch hier lassen sich wichtige Faktoren für Ihre Gefährdungsbeurteilung übernehmen
- Erste Hilfe im Betrieb:
- brauchen/haben Sie Ersthelfer (genug?); Ersthelfer hat Urlaub, wer ist Ersatz?
- sind die Ersthelfer eingewiesen und unterwiesen, Schulungen aktuell? (übrigens: Ihre Berufsgenossenschaft übernimmt die Kosten der Erste-Hilfe-Kurse; Informationen hierzu geben die Erste-Hilfe-Kurse Anbieter)
- haben Sie Erste-Hilfe-Material: Verbandkasten (frei zugänglich), ist das Material noch verwendbar (abgelaufen?)
- ein Unfall ist passiert: Wer ist für was verantwortlich? Wer ruft Krankenwagen/Rettungsdienst? Mit was wird telefoniert? Welche Nummer muss gewählt werden?
- werden Verletzungen, Unfälle, aber auch Beinaheunfälle dokumentiert (Vorlagen auch wieder über Berufgenossenschaft erhältlich --> z.B. vorgedruckte Blöcke)
- etc.
- Brandschutz im Betrieb:
- hier Gleiches Vorgehen, wie bei Erste Hilfe: Wer macht was wann und wie? Brandschutzhelfer? Flucht- und Rettungswege? Pläne dazu? öffentlich ausgehangen? Feuerlöscher vorhanden?Welche Sorte von Feuerlöschern benötige ich? Müssen diese geprüft werden? Wenn ja, wann von wem? Sind meine elektrischen Leitungen sicher (stationär und auf Baustelle o.ä.) .....
- Wetter:
- Winter: Schneeberäumung? Glatteis? Wege zum Unternehmen frei und geräumt? Betriebsgelände gut beleuchtet? Im Betrieb genügend Lichtquellen?
- Kälte: gehen Heizungen automatisch an oder ist jemand für das Einschalten verantwortlich? Mit was wird geheizt? Wann wird Material geliefert, wo wird es gelagert?
- Hitze: Klimaanlage? Hitzeschutzkleidung? Getränke?
- Sonne: UV-Strahlung? Sonnenschutzmittel bei Arbeit draußen?
Hier gibt es noch viele weitere Punkte (wie bspw. Aufenthaltsräume, Pausenzeiten, Arbeitszeiten,...) zu ergänzen, aber Sie haben bereits einen wichtigen Schritt unternommen, wenn Sie sich mit den genannten Themen auseinandergesetz haben. Häufig lässt sich vieles ganz leicht und schnell klären, ABER vergessen Sie Ihre Schritte nicht zu dokumentieren (zur Dokumentation unten mehr).
2. Wie geht man nun tiefer in die Gefährdungsbeurteilung?
Viele arbeiten in Schemata: Tätigkeit --> welche Gefahr --> Gegenmaßnahme/Schutzmaßnahme --> Überprüfung --> stetige Dokumentation
Dies bedeutet also am Beispiel (auszugsweise): Büroangestellte
- Tätigkeit:
- sitzend, Computerarbeit, Bedienung Drucker, Kopierer
- Gefahr:
- Rückenerkrankung, Blutstau, Sehstörungen, Kapaltunnelsyndrom, psychischer Stress, Fehlbedienung Geräte --> Verletzung
- der Weg zur und von zur Arbeit ist auch zu betrachten: Fahrrad, Auto, Zug, zu Fuß
- Gegenmaßnahme/Schutzmaßnahme:
- regelmäßige Untersuchung beim Betriebsarzt oder arbeitsmedizinisch betreuendem Dienst
- Rückenerkrankung - Rückenschule, ergonomischer Stuhl, Phyiotherapie, gemeinsames Sporttraining oder oder oder....
- Blustau - regelmäßige Bewegung in Alltag einbauen, ergonomisch geformter Stuhl, Fußablage, oder oder ....
- Sehstörungen (durch PC) - ordentliche Arbeitsplatzgestaltung (Abstand zwischen PC und Angestelltem), ordentliche Beleuchtung, ordnungsgemäß funktionierende Technik, oder oder...
- Kapaltunnelsyndrom - Handablage für Computerarbeit, ergonomisch geformte Maus/Tastatur, oder oder...
- Fehlbedienung Geräte - Bedienunganweisung liegt vor, Mitarbeiter in Umgang mit Geräten eingewiesen, klares System vorhanden, was zu machen ist, wenn Gerät kaputt --> z.B. Techniker anrufen, Stecker ziehen, nicht selbst reparieren, Defekt Schild dran kleben- oder oder ...
- Wegeunfall: Fahrsicherheitstraining (Fahrrad, Auto) --> wird von Krankenkassen und Berufsgenosschaften, aber auch externen Dienstleistern angeboten; Zug: wie wird mit Verspätungen umgegangen (psychische Belastung); können meine Mitarbeiter auch später zu Arbeit kommen (z.B. im Winter wegen Dunkelheit?), oder oder....
Sie haben hier auszugsweise gesehen, welche Gefahren hier lauern können und wie Sie diese häufig mit einfachen Mitteln beseitigen können. Wichtig ist, die Gefahren zu erkennen. Eine intensive Beschäftigung mit einem Arbeitsplatz/Tätigkeitsfeld ist hier also unablässig. Nicht zu vergessen: dokumentieren Sie Ihre Beobachtungen, die möglichen Gefahren, was Sie wann und wie dagegen machen und wichtig, wann und wie überprüfen Sie oder eine beauftragte Person die Umsetzung.
Wir waren anfangs auch etwas unsicher, wie wir die Gefährdungsbeurteilung umsetzen sollen, nichts schien richtig auf uns zu passen (Vorlagen/Checklisten) bzw. wir waren uns unsicher, ob wir wirklich alle Gefahren/-sitautionen berücksichtigt haben.
Daher haben wir ein Arbeitstagebuch eingeführt (vergleichbar mit einem Bautagebuch). Jede Position/jeder Mitarbeiter (bei identischen Arbeiten, stellvertretend 1-2 Mitarbeiter) sollten 1 Woche lang jede Tätigkeit vom Verlassen der Wohnungs-/Haustür bis zum Betreten dieser nach Arbeitsende alle Arbeitsschritte notieren, inkl. der Werkzeuge, Geräte, Arbeitsmaterialien, Stoffe, Hilfsmittel, die er bei der jeweiligen Tätigkeit benutzt hat. Anhand dieser Liste war es sehr einfach die Gefahren abzuleiten; z.B. wurde eine Bohrmaschine verwendet, so war klar zu prüfen, ob die Mitarbeiter, die diese benötigen, darin unterwiesen wurden, lag eine Betriebsanweisung zum Umgang mit dieser vor, Gebrauchsanleitung da, war sie geprüft, sind Handschuhe oder Gehörschutz notwendig etc. Sie sehen hier ergibt sich ganz schnell ein Bild. Wenn das mit allen Tätigkeiten durchgeführt wurde, erhält man schnell Überschneidungen: wie bspw. die Themen Unterweisung, Betriebsanweisung, Gebrauchsanweisung, Gefahrstoffe, Prüffristen, Aufbewahrung, etc. Beachtet Sie bitte auch Sonderzeiten, wie Urlaubszeit, Vor-Weihnachtszeit, Sonderbetriebsschichten; diese werden in diesem allgemeinen Arbeitstagebuch im Normalfill nicht erfasst, s sei denn Sie führen eines während dieser Zeit.
Somit lassen sich ganz klar Gefahren einzelner Tätigkeitsfelder/Arbeitsfelder erkennen, analysieren, und beheben. Aber auch übergreifende Gefahren werden sichtbar, z.B. wenn mit anderen Firmen zusammengearbeitet wird oder gleichzeitig mehrere Gewerke auf einer Baustelle arbeiten,...
Die ganzen Beobachtungen, Tätigkeiten und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen gilt es nun aufzuschreiben (Dokumentation) und umzusetzen. Hierbei können Sie, wenn Sie selbst nicht immer überall sein können, Pflichtenübertragungen vornehmen: Vorarbeiter X überwacht die Arbeits- und Pausenzeiten, Vorarbeiter Y ist für die Kontrolle von Werkzeugen verantwortlich, etc. Verwenden Sie hierzu genaue schriftliche Beauftragungen, die genau die Pflichten beschreiben.
3. Nicht aufhören
Die Gefährdungsbeurteilung ist und kann nie abgeschlossen sein. Sie kaufen eine neue Maschine, schon müssen Sie die Gefahren dieser erfassen, und Maßnahmen ergreifen. Sie stellen einen Mitarbeiter mit einem Handicap ein, schon bedarf es einer Anpassung des Arbeitsplatzes. Oder kaufen Sie bei einem Lieferanten neue Reinigungsmittel ein? Hier gilt es den Umgang, die Gefahrstoffe etc. zu analysieren, dokumentieren und eventuelle neue Arbeitsschutzmaßnahmen umzusetzen.
Eine gute Gefährdungsbeurteilung erfolgt systematisch und stetig, sie wächst mit dem Unternehmen und sollte als Teil dieses gesehen werden.
Dokumentation? Wie muss eine Gefährdungsbeurteilung aussehen?
Eine gesetzliche Vorgabe für die Form einer Gefährdungsbeurteilung gibt es nicht, aber es gibt eine Dokumentationspflicht für diese. Also ob handgeschrieben, als Checkliste, als Diagramm oder Piktogramm, wie auch immer Sie diese gestalten, Hauptsache Sie ist schriftlich festgehalten und logisch (sollte für externe genauso verständlich sein, wie für Sie).
Halten Sie schriftlich fest: bei welcher Tätigkeit kann welche Gefahr/Gefahrensituation und wodurch entstehen, welche Maßnahmen ergreifen Sie dagegen, wer überprüft die Umsetzung und wann.
Jetzt habe ich meine Gefährdungsbeurteilung erstellt, das reicht?
Nein, denn wie oben geschrieben ist eine Gefährdungsbeurteilung als ein lebender Organismus anzusehen. In unserem Arbeitsalltag ändert sich ständig etwas, wir bekommen neue Geräte, Programme, Materialien, Maschinen, Arbeits- und Büromaterialien, neue Fahrzeuge, usw, und schon muss etwas an der Gefährdungsbeurteilung angepasst, aktualisiert, ergänzt werden. Daher kann eine Gefährdungsbeurteilung nie als abgeschlossen angesehen werden. Sie sollte stetig beachtet und angepasst werden. Darüber hinaus sind Sie verpflichtet zu prüfen, ob Ihre Maßnahmen greifen oder nicht und das am Besten regelmäßig (je nach Thematik: täglich, wöchentlich, monatlich, alle 3 Monate, jährlich...). Sollte eine Maßnahme nicht greifen, muss die Maßnahme geändert werden oder angepasst.
Übrigens: nach jedem Arbeitsunfall, Beinahe-Unfall (z.B. jemand stolpert über Herumliegende Materialien, tut sich aber nichts), Berufserkrankung,...., muss die Gefährdungsbeurteilung überprüft werden. Aufgrund der Vorkommnisse besteht Handlungsbedarf.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen hierzu? Kontaktieren Sie uns gerne per info@psa-zema.de.
*um den Lesefluss nicht zu stören, verwenden wir hier vereinfachend die grammatisch männliche Form (Mitarbeiter, Kollege, Arbeitgeber, Angestellter u.ä.). Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir mit dieser grammatischen Form alle Personen, aller Geschlechter, ansprechen.